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Klimakrise und Revolution: ein optimistisch stimmendes Computerspiel


Zusammenfassung:
Geht auf https://play.half.earth/ und rettet die Welt nach der sozialistischen Revolution! Es macht gute Laune und ist lehrreich.

Story und langes Review zu Half-Earth Socialism:

Kürzlich hörte ich im Penny zwei Rentnerinnen zu, von denen eine beim Grillen mit dem Ex-Bürgermeister von Erkner geplaudert hatte: Er sei aus der SPD ausgetreten, weil er mit deren Regierungsarbeit unzufrieden sei. Dann regten sich die Rentnerinnen über die Kohlenstoffstrategie des Landes und Vögel, die in Windrädern sterben, auf. Ich verstehe, dass Menschen, denen in jungen und mittleren Jahren lange erzählt wurde, dass Kohle super ist, diese Idee nicht mehr ändern möchten im Alter – zugunsten von unvorstellbaren unbewiesenen Zukunftstechniken.

Menschen, Technologien und Politiken simulieren: oft ein enttäuschendes Erlebnis

Dieses Supermarkt-Erlebnis erinnerte mich an ein Spiel, welches vor über zehn Jahren die Klimakrise beleuchtete. Es war sehr schwierig, mithin sogar deprimierend, aber wohl realistisch: Fate of the world. Darin spielt man als globale Organisation, die beauftragt wurde, für eine langfristig lebenswürdige Erde zu sorgen. In Form von Karten können diverse Maßnahmen eingeleitet werden. Das Thema Klimawandel in Computerspielen zu verarbeiten, hat mittlerweile Tradition. Da dabei menschliches Verhalten simuliert wird, ist es aber meist ziemlich demotivierend.

Allerdings gibt es Stunden, in denen man nach einer Herausforderung sucht und Lust hat, Strategien zu erproben. In einem solchen Moment blätterte ich im Steam-Forum zu Fate of the World. Dort fragten Leute nach ähnlichen Spielen, die offenbar (wie ich) immer mal wieder Lust auf das Thema bzw. die Spielmechanik hatten. Eine aktuelle Empfehlung ist Half - Earth Socialism. Um zu erfahren, worum es geht, las ich zunächst einen motivierenden Artikel über das Spiel.

Es basiert also auf einem Buch und möchte ernsthaft die Welt verbessern, indem es Menschen befähigt, selbst Zusammenhänge zu erfassen und ins Handeln zu kommen. Die Hintergründe sind auf der offiziellen Seite zusammengefasst: https://www.half.earth/
Außerdem lohnt es sich, folgendes Interview zu lesen, um die Motivation der Autor*innen und Entwickler*innen kennenzulernen: https://taz.de/Umwelthistoriker-ueber-Videospiel/!5890268/

Wie und wo kann ich Half-Earth Socialism spielen?

Wer interessiert ist, politische Maßnahmen, Forschungen und Koalitionen zur Weltrettung zu simulieren, sollte sich zunächst bewusst machen: Es gibt keine Speicheroption. Das liegt darin begründet, dass es sich per default um ein Browsergame handelt. Es ist also auf jedem Betriebssystem und gratis spielbar unter https://play.half.earth/ Das passt zum Anspruch, niedrigschwellig vielen Menschen Ideen zu vermitteln.

Es führte aber in meinem Fall dazu, dass der entsprechende Rechner sechs Stunden lief, von denen ich geschätzt drei für den einen Spieldurchlauf brauchte, was nicht im Sinne von Energiesparen ist. Zwischendurch mussten analoge Tätigkeiten absolviert werden, in meiner Lebensphase hat man eben keine drei Stunden am Stück konzentriert Zeit für Spiele ohne Kinder. Hier wäre eine echte Anbindung an einen Clouddienst wünschenswert (meinetwegen auch gegen zwei Euro Gebühr dafür, man könnte dann entscheiden, ob for free im Browser oder lieber über einen Drittanbieter).

Da ich tatsächlich über Steam spielte, war der Nichtspeicher-Umstand umso ungewohnter. Ich kam ja vom Steamforum und bemerkte erst hinterher, dass ich nichts hätte herunterladen müssen, sondern einfach einen Browser hätte öffnen können. Gut, Games streamen (statt von Festplatte zu spielen) soll auch wieder extra Energie verbrauchen, ja, alles nicht einfach.

Hilfreich wäre also eine Option, einen Spielstand auf Festplatte zu exportieren. Allermindestens hätte ein Hinweis am Anfang erscheinen können – in der Art von „This game will take two or three hours to win and can‘t be saved so maybe don‘t start when you‘re tired or got things to do.“

In der Tat ist die Spielsprache Englisch. Sie kann (Stand April 2023) wahlweise auf Spanisch oder Portugiesisch geändert werden. Da sich Ingenieursbegriffe und politische Fachwörter auftun, kann ein Übersetzungsprogramm parallel hilfreich sein, wenn man nicht fluent in einer dieser Sprachen ist.

Was kann es nun? Worin liegt die Stärke von Half-Earth Socialism?

Kurz gefasst: Das Spiel kann endlich eine optimistische Sicht auf das Thema Klimakrise vermitteln. Warum? Wegen der Grundannahme, eine sozialistische Revolution habe stattgefunden und Menschen hätten allesamt den Ernst der Lage erkannt. Als Spielerin bist du nun die Oberplanerin eines globalen Parlaments und musst zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen balancieren, damit einerseits Erfolge sichtbar werden und das Parlament dir weitere Regierungsjahre beschert – und andererseits die Weltbevölkerung zufrieden bleibt. Nebenher gilt es natürlich, die Temperatur in der Atmosphäre zu senken sowie den Verlust der Biodiversität zu stoppen.

Es handelt sich also um eine Zukunftssimulation. Das beinhaltet lustige mögliche Szenarien wie den Weltraumfahrstuhl, Biosphären in der Tiefsee, Mammuts wieder ins Leben klonen oder Löwen genetisch zu Pflanzenfressern umstrukturieren. Nichts davon ist allerdings nötig, um die Menschen zufriedenzuhalten, obwohl man z. B. Privatautos verbietet, Veganismus verpflichtend macht und die Zahl menschlichen Nachwuchses begrenzt. Wichtiger ist schon, sich mit Geoengineering und Energiegewinnung auseinanderzusetzen. Laut Spiel bringt es etwa energetisch wenig, aus Algen Biofuels zu machen oder Grünen Wasserstoff zu erforschen – Das verbraucht zuviel Strom und Landmasse. Zu sehr auf Wasserkraft zu setzen, verursacht Megadämme und Wasserstress. Siegesaussichten entstehen dagegen mit der Erforschung von Solarpaneelen mit höheren Wirkungsgraden und Offshore-Windturbinen. Entsprechende Stromnetze und -speicher müssen mitausgebaut werden, zudem helfen Energie-Quoten und eine Angleichung der Lebensstandards des Südens und Nordens auf ein sparsames Mittelmaß.

Wie man das alles ohne Konterrevolution hinbekommt, kann man mit diesem kurzweiligen und inspirierenden Spiel antesten. Ob nun jede Maßnahme realiter genauso funktioniert oder alle Basisdaten aktuell und korrekt sind, kann man ja bei Interesse länger recherchieren. Inhaltlich zielt Half-Earth sicher auf ein linkes, weltoffenes Publikum und regt Personen, die Nationalgrenzen, Fleischkonsum oder unbegrenztes Wirtschaftswachstum super finden, mächtig auf.
Wobei – Es hat durchaus Optionen, Atomkraft zu verwenden oder tierische Kalorien zu produzieren, mit denen ein Sieg in Form der Weltrettung möglich ist.

Fazit: Ein gelungenes Beispiel für Serious Gaming, das Debatten anregen und Utopien verbreiten kann. Leichter zu konsumieren als das zugehörige Buch vermutlich und sehr zugänglich, da gratis in Browser spielbar. (Allerdings mit Java-Script und Google Analytics, soweit ich das sehe. Oder nach dem Herunterladen auf Steam für Windows, Mac und Linux.)

Solide, motivierende Spielmechanik mit einfachen Mitteln

Half-Earth Socialism bietet Vieles, was ein Browsergame bieten kann: Ein Tutorial mit einer assistierenden und erklärenden Tulpe. Statistiken und Prognosen in Diagrammen. Die Simulation eines Parlaments mit verschiedenen Fraktionen, die Maßnahmen mögen oder mit dir koalieren können. Spielzüge, die in verschiedenen Kategorien untergebracht sind. Forschungen und Maßnahmen, die aufeinander aufbauen oder erst freigeschaltet werden müssen. (Das lehrt einiges über die richtige Reihenfolge von Taten!) Illustrative Grafiken in einem nicht polarisierenden leicht verpixelten Stil. Musik war auch, an Soundeffekte erinnere ich mich dagegen nicht. Ein Spielziel und eine konsistente Story. Keine Hektik, da man jeden Zug in Ruhe überdenken kann. Tiefergehende Erklärungen zu möglichen Maßnahmen oder Energien, wenn man die jeweilige Karte herumdreht. Prognosen, wer was mögen wird und wie sich Daten ändern werden, wenn man einen bestimmten Zug machen wird. Also – alles dabei. Technisch, wenn man so möchte, auf dem Stand eines Spiels auf CD von 1998, aber dafür eben von überall aus für lau spielbar.

Und was ist jetzt mit der Kohle?

Ein interessanter Aspekt in Half-Earth Socialism ist, dass nicht nur der CO²-Ausstoß einer Technologie oder bestimmter menschlicher Tätigkeiten betrachtet wird. Es geht auch um Flächen- und Wasserverbrauch sowie den Druck auf die Biodiversität. Letzteres meint die Vögel, um die sich die Rentnerinnen mehr sorgten als um die Gase in der Atmosphäre. Es ist also nicht einfach: Mehr Wasserkraft, mehr Sonnenenergie, mehr Windräder. Es geht auch um Wirkungsgrade, Speichermöglichkeiten und Stromverbrauch (etwa um aus Algen Treibstoff zu erzeugen).

Sicherlich sind manche Daten, die das Spiel nutzt, irgendwie streitfähig. Aber dass es Überlegungen anregt, ist ihm hoch anzurechnen. Wie der aktuelle Forschungsstand zu der einen oder anderen Technologie ist, kann jede im Nachgang selbst recherchieren. Ich z. B. nehme aus meinem erfolgreichen Spieldurchgang mit: Die Investition in neuartige Biofuels kann man sich sparen und um die 10% Kohlenutzung global kann auch in 50 Jahren noch Sinn machen. Windkraft auf dem Ozean scheint es zu bringen, zu viele Wasserkraftwerke dagegen führen zu lokalem Wassermangel. Grauer, blauer und grüner Wasserstoff ist eigentlich nicht nötig, wenn man stattdessen den Wohlstand des Nordens mit dem des Südens in einen Ausgleich bringt. In diesem Zusammenhang habe ich die Vokabel Fanonismus gelernt.

Wenn man sich auf das Spiel einlässt, einige digitale Karten für genauere Erklärung umdreht und zwischendurch auch mal ein Wort nachschlägt, gibt es viel Inspiration und unterschwellige Lernmöglichkeiten, gerade für Menschen, die weder Politikwissenschaften noch Ingenieurswesen noch Soziologie studiert haben.

Die AI und das Texten


Vor gefühlt zwei Jahren schrieb ich einen Beitrag über KI-generierte Texte und speicherte für mich ab: Kann man machen, lohnt sich aber für Viele nicht. Im Januar 2023 erschien dann ein relativ viel diskutierter Blogbeitrag bei der etablierten Plattform content.de der mir eine erste Ahnung über die Auswirkungen auf die Branche gab.

Im Februar fiel mir auf, dass Aufträge auf Textermarktplätzen sehr rar wurden und allmählich glaubte ich nicht mehr an Konjunkturschwankungen bei üblicherweise Text nachfragenden Unternehmen. In dieser Zeit entdeckte ich ein Job-Inserat, das eine „Texterin und AI-Anwenderin“ erbat. Aha, dachte ich, man möchte schon das Beste beider Welt verbinden. Ein nerdiger Freund sagt seit Jahren: „Lass nichts von Menschen machen, was eine Maschine besser kann.“
Und offenbar ist die KI viel schneller im Zusammenstellen von Daten, die öffentlich zugänglich im Internet liegen. Aber zeigt sie auch korrekte Daten an?

Mit Pfeil und Bogen im Braunkohleschacht

Ich entschied mich für eine Stichprobe und fragte chatGPT, was es Interessantes in meiner Heimatstadt gäbe. Die künstliche Intelligenz behauptete, dass ein Bitterfelder Bogenmuseum existiere, in dem man historische Armbrüste bewundern könnte. (Und dieser Satz hier öffentlich verfälscht ihre Datenbasis weiter, ha.)

Nun ist es so, dass es zwar den Bitterfelder Bogen und ein Kreismuseum in der anhaltinischen Kleinstadt gibt – aber keine museale Sammlung irgendwelcher Schusswaffen. Warum auch, es gibt ja auch kein Schloss und keine Burg zu besichtigen. Das ist der KI aber egal, sie zog irgendwie mittels semantischer Annäherung Bogen und Museum zusammen.

Textgeneratoren: Ängste, Spott und Konsequenzen

Dieser Versuch hatte mich ermutigt und ich fragte chatGPT einfach direkt, ob es plane, beruflich Schreibende überflüssig zu machen. Das Programm gab höfliche und philanthropische Antworten aus. Software sei nicht kreativ, außerdem unempathisch und so weiter; das wird schon, kleiner Mensch, hab keine Angst vor mir.

Solchermaßen beruhigt hielt ich am Folgetag den Spott meines Lieblingscomedians für überzogen, der da unkte, dass einige Marketingagenturen wegen der KI-Texte schließen würden. Die Beruhigung hielt jedoch nur bis zu dem Tag an, an dem ich in einem Crowdworkingforum lesen musste, dass die Textsparte einer Plattform geschlossen wird, auf der ich früher gern mal ganz einfache Sachverhalte betextete.

KI-generierte Texte: manchmal besser als gar kein Text

Eines Abends auf dem Sofa dann wies mich ein viellesender Fußballfan darauf hin, dass in einem Artikel einer großen nationalen Zeitung offensichtlich eine Software am Schreibwerk gewesen sei, der Sprachstil sei entsprechend fade. Wir fanden einen entsprechenden Hinweis ganz am Ende des Textes in Kursiv. Ich rief die Seite des dort genannten Contentanbieters auf. Begeisterte Kunden hinterließen auf deren Seite Rezensionen, die darauf hinweisen, dass KI-generierte Texte dann lohnen, wenn für Nischenthemen sonst keiner bezahlen würde – Spielberichte über untere Ligen beispielsweise.

Großunternehmen und mittelgroße Agenturen erklären in ihren lobenden Erfahrungsberichten zu einer textgenerierenden Software, dass sie zunächst gut strukturierte Daten über eine Schnittstelle schieben mussten. Aber dann sei alles ganz schnell und effizient gegangen. Wer aber keine entsprechende Unternehmenssoftware als Datenbankbasis nutzt, hatte bislang Probleme damit, seine Produkte oder Dienstleistungen in einen Textgenerator einzugeben.

Das scheint chatGPT geändert zu haben. Auch einzelne Texte lassen sich nun, mithilfe durchdachter Aufgabenstellungen bzw. Fragen, vom Computer schreiben. Aber sie sind halt generisch und nicht faktengeprüft. Sie schaffen kein neues Wissen, sondern präsentieren bereits Gesammeltes. Sehr spezifische Thementexte und neue Gedanken werden weiterhin von Menschen kommen müssen. Ebenso viele Inhalte, die mehr als reine SEO-Zwecke verfolgen, und Texte, deren inhaltliche Richtigkeit über ein paar Torschuss-Statistiken hinaus gewährleistet sein muss.